Agroforstwirtschaft – ein Modell für die Zukunft?

Rennig Söffker aus Martfeld und Josef Voß von der Landesgeschäftsstelle Bündnis 90/DIE GRÜNEN berichteten im Gasthaus „Zur Penne“ über Möglichkeiten und Herausforderungen 

Die Agroforstwirtschaft, ein eigentlich traditionelles landwirtschaftliches Verfahren, das sich in Deutschland vor allem in Form von Streuobstwiesen im Landschaftsbild erhalten hat, stand anlässlich eines Themenabends des Grünen-Ortsverbandes in Twistringen kürzlich im Mittelpunkt und wurde dort nach spannenden Fachbeiträgen von den knapp 25 Teilnehmenden kritisch-konstruktiv diskutiert.

Aufgrund des sich intensivierenden Klimawandels und der damit einhergehenden Bodenerosion, der Zunahme von Dürre und Starkregenphänomenen und dem sich ausbreitenden Artenstreben wird die Agroforstwirtschaft verstärkt in Fachkreisen thematisiert. So wurde zum Beispiel Benedikt Bösel als Landwirt des Jahres 2022 damit bekannt, dass er im heimischen Brandenburg wesentlich auf Agroforstwirtschaft setzt. Rennig Söffker, gelernter Landwirt aus Martfeld, testet auf seinen Flächen schon seit 2014 mit großer Begeisterung und Leidenschaft verschiedene Konzepte und Methoden der Agroforstwirtschaft aus und ließ die Anwesenden in Wort und Bild an seinen verschiedenen Verfahren und spannenden Erkenntnissen teilhaben. Dabei wurde deutlich: Es gibt nicht die eine Agroforstwirtschaft, sondern zahlreiche Konzepte und Ansätze, die singulär betrieben oder miteinander kombiniert werden können. Am bekanntesten sind wohl die so genannten Knicks- und Windschutzhecken, bei dem sich Gehölzstreifen mit einer Breite von drei bis 20 Metern an Grün- oder Ackerflächen anschließen, wodurch positive Einflüsse auf die Bodenbeschaffenheit zum Tragen kämen. Dazu gehören die Schutzwirkung gegen die Abtragung wertvoller Bodenbestandteile durch Wind- und Wassererosion, der Aufbau von Humus und die Verbesserung des Mikroklimas. Hecken bieten zudem heimischen Tierarten Schutz- und Lebensräume und werten das Landschaftsbild deutlich auf. Weitere Konzepte sind Streuobstwiesen, das Alley Cropping, Forrest Farming, Urban Farming, das Anlegen von Pufferstreifen für den Gewässerschutz oder die Etablierung von Permakultur-Systemen, bei denen man sich die natürlichen Wirkmechanismen der Natur zunutze macht. Agroforstwirtschaft beinhaltet auch die Weidehaltung von Rindern, Schweinen, Schafen und Geflügel. Weitere Infos www.agroforstwirtschaft-info.de

Rennig Söffker (li.) und Josef Voß von der Landesgeschäftsstelle Bündnis 90/DIE GRÜNEN (re.) informierten die rund 25 Teilnehmenden über die agroforstwirtschaftliche Praxis, über Fördermöglichkeiten, Chancen und Herausforderungen. Foto: Grüne Twistringen

Schnell wurde klar, es braucht eine Menge Know-how und Einsatzbereitschaft, um die verschiedenen Konzepte optimal zur Anwendung zu bringen. „Es ist schon ein wenig Trial und Error!“, räumt Rennig Söffker ein. Zudem sei der Aufwand recht hoch. Dafür kann Söffker aber auch eher ungewöhnliche Erzeugnisse ernten wie Honigbeeren oder Mini-Kiwis und seinen Hühnern, die eigentlich Waldrandvögel seien, einen verhältnismäßig artgerechten Lebensraum bieten. Rennig Söffker hob bei seinem Vortrag auch hervor, dass er von den Erzeugnissen nicht finanziell abhängig sei. Damit blieb die Frage, ob sich dieses durchaus wünschenswerte Konzept auch in der konventionellen Landwirtschaft rentabel und effizient etablieren lässt? Josef Voß, Referent für Landes- und Kommunalpolitik der Landesgeschäftsstelle von Bündnis 90/DIE GRÜNEN, erklärte den Interessierten in diesem Zusammenhang die aktuellen Förderrichtlinien. Der Referent war sich mit einigen konventionell wirtschaftenden Landwirten vor Ort einig, dass die aktuelle Förderung von 60 Euro/Hektar bei einer momentanen Pacht von rund 1500€/Hektar die Agroforstwirtschaft in der Region augenblicklich noch wenig lukrativ mache. Zudem seien schon jetzt die bürokratischen Auflagen für Landwirte sehr hoch. Auch rechtliche und politische Anforderungen wie Baumschutzverordnungen und Ausnahmen für die Agroforstwirtschaft, die energetische Nutzung von Abfallhölzern, fehlende wissenschaftliche Langzeitstudien und die Möglichkeiten und Grenzen der Weidetierhaltung beispielsweise von Schweinen bei der aktuell immer wieder aufflackernden Schweinepest wurden intensiv diskutiert.

Agroforstwirtschaft umfasst zahlreiche Konzepte und Techniken des Pflanzen- und Gehölzanbaus. Aber auch die Weidetier- und Geflügelhaltung sind ein zentraler Bestandteil. Foto: R. Söffker

Neben dem konstruktiven Austausch zwischen Landwirten und Umweltinteressierten konnte die grüne Stadtratsfraktion den Auftrag mitnehmen, die Wiederbegründung von Wegeseitenrändern im Twistringer Gemeindegebiet stärker in den Blick zu nehmen. Bei allen aufgezeigten Herausforderungen waren sich die Zuhörenden am Ende doch einig, dass multifunktionale Landnutzungssystem gerade in Zeiten des Klimawandels in Zukunft eine größere Bedeutung bekommen sollten. Die ersten Erfahrungen, die auf Rennig Söffkers Hof in Martfeld gemacht werden, werden wohl nicht die letzten in der Region bleiben. Denn schon jetzt können agroforstwirtschaftliche Produkte unter anderem mittels Direktvermarktung ihre Nische im Markt finden. Agroforstwirtschaft kann zudem auch kleinflächig in Gärten oder auf Ödland angewendet werden und an Schulen und weiteren sozialen Einrichtungen als ökologisch-pädagogisches Konzept sinnvoll eingesetzt werden. Es bleibt zu hoffen und daran zu arbeiten, dass mit wachsendem Erfahrungsschatz die Spielräume für nachhaltige Formen der Landwirtschaft wachsen und ein Ausgleich gelingt zwischen Klima-, Boden- und Artenschutz, zwischen Tierwohl und angemessenen organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen für landwirtschaftliche Akteure. 

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